Ansprache auf dem Trierer Kornmarkt

17. Mai 2011

Anlässlich des "International Day Against Homophobia and Transphobia" hielt unser Vorsitzender, Sören Landmann, eine Ansprache auf dem Trierer Kornmarkt, welche hier im Wortlaut wiedergegeben wird.

Hier geht's zur Fotogalerie in Flickr!

"Vor 21 Jahren, am 17. Mai 1990, wurde Homosexualität von der Liste der Krankheiten der Weltgesundheitsorganisation (WHO) gestrichen.

Dies ist der Grund, wieso seit dem Jahr 2005 weltweit der Internationale Tag gegen Homophobie und Transphobie gefeiert und in unzähligen Ländern auf die immer noch großen Missstände und Diskriminierungen aufmerksam gemacht wird.

Sei es die Verfolgung von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transsexuellen, Transgendern und Intersexuellen in noch ca. 70 Ländern dieser Welt, wo diesen teilweise sogar lebenslängliche Haft oder die Todesstrafe droht.

Sei es die Nichtverfolgung oder sogar die aktive Behinderung der Aufklärung von Straftaten, die aufgrund der sexuellen Orientierung oder der Geschlechtsidentität der Opfer verübt wurden.

Aber auch in den Staaten, die Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transsexuelle, Transgender und Intersexuelle nicht mehr verfolgen, werden diesen oft essentielle Menschenrechte verweigert.

So erfahren viele gleichgeschlechtliche Paare keinerlei rechtliche Anerkennung; werden von Adoptionen oder künstlicher Befruchtung ausgeschlossen.

Transsexuelle werden teilweise dazu gezwungen sich Operationen zu unterziehen, die sie unfruchtbar machen, bevor sie ihr Geschlecht bei den Behörden ändern dürfen.

Intersexuelle Babys werden noch heute oftmals direkt nach der Geburt geschlechtsangleichenden Operationen unterzogen, damit sie klar einem der zwei klassischen Geschlechter zugeordnet werden können - obwohl Fachleute mittlerweile eindeutig davor warnen.

Diese Liste ließe sich leider noch sehr lange fortsetzen.

Aber dies soll uns nicht verzweifeln lassen - sondern uns erst recht anspornen gegen dieses Unrecht zu kämpfen. Sich für diejenigen stark zu machen, die unsere Hilfe und Solidarität dringend nötig haben!

Viele von Euch haben in den letzten zwei Wochen einen internationalen Aufruf gegen einen Gesetzesvorschlag in Uganda unterzeichnet, der die Todesstrafe für Schwule und Lesben einführen sollte. Jahrelange Haft sollte denen drohen, die ihnen bekannte Lesben und Schwule nicht innerhalb weniger Stunden melden würden. Doch lesbisch-schwule Organisationen rund um den Globus haben in einer beispiellosen Eilaktion innerhalb von drei Tagen fast 500.000 Unterschriften gesammelt - von Menschen aus 193 Ländern dieser Erde. Diesem starken Signal konnten sich auch viele Regierungen nicht entziehen und intervenierten ebenfalls bei den Machthabern in Uganda. Der internationale Druck führte letztendlich dazu, dass der Gesetzentwurf nicht behandelt wurde. Ein großer Erfolg für die Menschenrechte - auch wenn die Gefahr noch lange nicht gebannt ist.

David Kato, ein schwuler Menschenrechtsaktivist, konnte diesen Erfolg leider nicht mehr miterleben. Er wurde von zwei Monaten brutal in seiner Wohnung ermordet; kurz nachdem eine bekannte ugandische Tageszeitung sein Bild und seinen Namen zusammen mit anderen 99 Mitgliedern der lesbisch-schwulen Community veröffentlicht hatte. Das ganze unter der Überschrift: „Ugandas 100 Top-Homos. Hängt sie!".

Und David ist leider kein trauriger Einzelfall. Im vergangenen Jahr verloren Hunderte ihr Leben: im Irak, in Honduras, aber auch der EU und den USA. Vor wenigen Tagen wurde eine lesbische Aktivistin in Südafrika vergewaltigt und ermordet. In Mexiko starb Leija Herrera am 4. Mai nach einer gewaltsamen Attacke auf dem Nachhauseweg.

Wir gedenken und danken diesen stillen Helden, die sich trotz ständigen Übergriffen, Morddrohungen und Gewalt nicht von ihrem Einsatz für die Rechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transsexuellen, Transgendern und Intersexuellen haben abbringen lassen; sei es heutzutage in Afrika, Lateinamerika, Asien oder dem arabischen Raum; sei es in den 60er/70er/80er Jahren in Deutschland, die uns die Freiheit und Gleichberechtigung erkämpft haben, die für viele gerade junge Menschen eine absolute Selbstverständlichkeit geworden ist.

Gedenken wir den Menschen, die aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität in Gefängnissen sitzen, gefoltert werden oder, wie Ebrahim Hamidi im Iran, auf ihre Hinrichtung warten.

Gedenken wir den Hunderttausenden in aller Welt, die in der Schule gemobbt, im Arbeitsleben benachteiligt oder von ihrer Familie, ihren Freunden oder ihrer Religionsgemeinschaft verstoßen oder in sogenannten Therapien geschickt werden, nur weil sie anders sind oder anders lieben. Und der Schmerz für manche so groß wurde, dass sie den Tod ihrem Leben vorzogen.

Und denken wir auch an die, die so große Angst vor einer negativen Reaktion ihrer Umwelt haben, dass sie sich und ihre Identität verleugnen und ein tagtägliches leidvolles Versteckspiel betreiben.

In Gedenken an all diese Menschen und ihre Schicksale möchte ich Euch bitten eine Schweigeminute einzulegen.

(Schweigeminute)

Nun haben wir heute diese schönen Ballons und viele von Euch haben auf den daran hängenden Zettel Ihre Message gegen Homophobie und Transphobie geschrieben. Um Punkt 19.00 Uhr werden überall auf dieser Welt bunte Ballons in den Himmel steigen und dadurch ein weit sichtbares Zeichen für die Vielfalt unserer Gesellschaft setzen.

Doch lasst es uns nicht bei dieser symbolischen Aktion belassen! Fasst den Mut und zeigt Flagge gegen Intoleranz und Diskriminierung im Alltag. Lasst den platten Schwulenwitz nicht unkommentiert, schreibt einen Protestbrief, wenn ein vermeintlicher Christ oder ein Prediger einer anderer Religion gegen Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transsexuelle, Transgender oder Intersexuelle hetzt, oder zeichnet eine der zahlreichen Internet-Petitionen von Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International oder AllOut mit.

Lasst uns gemeinsam die Welt verändern - zu einer Welt, in der Diskriminierung und Hassgewalt keinen Platz haben und Vielfalt nicht als Bedrohung sondern als Bereicherung empfunden wird. Die heutige Aktion hier ist ein erstes hoffnungsvolles Zeichen dieser besseren Welt."